Strukturwandel ohne Veränderung?
Bautzen / Budyšín, 1. Juli 2022. Von Thomas Beier. Es ist zum Brüllen: Seit Jahren wird vom Wandel, genauer vom Strukturwandel, geschwafelt, doch die Herangehensweise ist dilettantisch geblieben. Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit sorgen für ausbleibende Ergebnisse.
Raus aus der Kohle, doch wo rein?
Der Strukturwandel bezieht sich im engeren Sinne auf die Braunkohleregionen. Wenn Kohlekraftwerke und Tagebaue zum Erliegen kommen, was wird dann erwartet? Zwei Felder liegen auf der Hand: Die Sicherung der Energieversorgung und Arbeitsplätze in der Region, die zukunftsrobust sind für die Jugend und nutzbar für die etwas Älteren sind und ein gutes Auskommen ermöglichen.
Niemand will noch einmal die Erniedrigung der Nachwendezeit erleben, als die früheren Beschäftigten – nun im Zuge von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – teils ihre eigenen Betriebe abreißen durften, für bestimmte Altersgruppen ohne jede Aussicht, selbst jemals wieder einen "richtigen" Arbeitsplatz zu finden.
Strukturwandel: einzelne Erfolge, ausbleibende Dynamik
Besonders der Görlitzer Anzeiger hat das Thema Strukturwandel immer wieder aufgegriffen. Neben erfreulichen Ansätzen etwa in Görlitz auf dem SIEMENS Gelände, bei Senckenberg oder beim CASUS Institut steht immer wieder die Frage: Wo bleibt die Dynamik? Und was hat es mit Strukturwandel zu tun, wenn ein Tierpark mehr als fünf Millionen Euro erhält oder sich anderenorts Bürger Projekte ausdenken dürfen wie das Anlegen einer Blumenwiese vor der Kita?Es ist die falsche Strategie, mangels eigener Kompetenz zu postulieren, über Strukturwandelprojekte mögen doch die Bürger in den betroffenen Regionen selbst entscheiden. Ein Liste kommunaler Strukturwandelprojekte 2021 belegt, dass Kommunen lediglich die Möglichkeit nutzen, Fördermittel für jeden Zweck, der sich nur irgendwie zurechtbiegen lässt, abzugreifen, wer will’s verdenken? Fakt ist: Bürger und Kommunen müssen sich einbringen können, aber Entscheidungsträger benötigen Expertise! Und die ist schwer zu erkennen, weder in Verwaltungen, die auf einmal Entscheidungen für die Wirtschaft treffen wollen, noch bei öffentlichen Wissenseinrichtungen, die immer nur hinterhinken und als aktuell verkaufen, was in der privaten Wirtschaftsforschung längst state of the art ist.
Wandel managen statt Feigenblatt-Projekte
Die Hilflosigkeit der Verantwortlichen wird immer augenscheinlicher. Freilich ist es einfacher, über den Strukturwandel zu reden als ihn zu gestalten. Aber wie werden die für den Strukturwandel gedachten Gelder eingesetzt? Wenn ab diesem Jahr bis 2038 Jahr für Jahr 2,5 Millionen Euro im Förderprogramm "Sorbische Sprache und Kultur im Strukturwandel" ausgegeben werden, dann dürfte der Arbeitsplatzeffekt überschaubar bleiben. Die Sorben sollen unbedingt ihre benötigte Förderung erhalten, nur bitte nicht als Strukturwandel-Feigenblatt.Wirtschaftlicher Strukturwandel ist eine Medaille mit zwei Seiten: Die eine ist der Wandel in den Unternehmen selbst. Hier hat die Oberlausitz agile und flexible Unternehmen, für die Veränderungen zum Tagesgeschäft gehören. Aber eine vielleicht noch größere Gruppe wartet ab und schielt auf Fördermittel. Wer sich aber an Förderprogrammen ausrichtet, verliert den Unternehmenszweck – die Erzeugung vom Kunden honorierten Nutzens – aus den Augen. Vielen wäre zu wünschen, eine professionelle Change Management Beratung in Stuttgart in Anspruch nehmen zu können, um ein besseres Gespür für pro-aktives Agieren in Veränderungsprozessen, wie sie ständig ablaufen, zu bekommen.
Fährt die Bundespolitik noch auf Sicht?
Doch auch die “große Politik” bereitet der Wirtschaft Sorgen. So werden der weitgehende Abschied von der Verbrennertechnologie und der Kohleausstieg über Zeitspannen hinweg festgezurrt, von denen jeder seriöse Zukunftforscher voraussagen wird, dass sie im Grunde nicht prognostizierbar sind. Anders gesagt: Nach spätestens 15 Jahren Blick in die Zukunft setzt der große Nebel ein, weil die Entwicklungen und Erfindungen, die dann wirksam werden, schlichtweg nicht vorhersehbar sind. Man wird nicht umhin kommen, die Entscheidungen von heute immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.Zudem wächst mehr oder weniger laut die Kritik an Sanktionsbeschlüssen, bei denen die Wirtschaft und damit die Bevölkerung für Politikversagen einstehen soll. Man muss ja nicht gleich ein sogenannter Putinversteher sein, wenn man die Entwicklungen rund um die Ukraine seit ungefähr 2008 beschreibt. Seltsam ist auch, wenn wie in Russland das Sprachmuster von der “militärischen Spezialoperation” in Deutschland immer nur vom “russischen Angriffskrieg” die Rede ist. In der Ukraine herrscht Krieg und das nicht erst seit dem russischen Einmarsch. Das Einzige, worauf es jetzt ankommt, ist es, ihn zu beenden. “Nichts ist es wert, einen Krieg zu führen”, war die Erkenntnis vieler Soldaten, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten.
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: © BeierMedia.de
- Erstellt am 01.07.2022 - 15:35Uhr | Zuletzt geändert am 28.07.2022 - 08:43Uhr
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