Licht und Schatten für das Sorbische Institut / Serbski institut Bautzen
Bautzen / Budyšín, 23. Juli 2011. Dem Sorbischen Institut, Zweigstelle für niedersorbische Forschungen, ist es gelungen, Fördermittel aus dem Programm "Dokumentation bedrohter Sprachen" der Volkswagen-Stiftung zu erhalten. Andererseits sind die Mitarbeiter des Sorbischen Instituts, dessen wissenschaftliche Tradition bis zum Beginn der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreicht, über die Empfehlung des Stiftungsrats der Stiftung für das sorbische Volk, wonach sein Etat um eine halbe Million Euro gekürzt werden soll.
Fritz Rudolph Stänker: Am Trog sitzen oder auf die Jagd gehen?
Wie Dr. Hauke Bartels mitteilt, hat die Förderinitiative “Dokumentation bedrohter Sprachen” bislang meist die Dokumentation außereuropäischer Sprachen finanziert. Erstmals sei es nun gelungen, mit den niedersorbischen Dialekten eine deutsche Minderheitensprache in das Programm aufzunehmen, weil ihre starke Bedrohung anerkannt wurde.
Im Herbst 2011 soll mit einer ungefähr einjährigen Pilotphase mit Sprachaufnahmen im niedersorbischen Sprachgebiet begonnen werden. Eine Fortsetzung des Vorhabens darüber hinaus ist vorgesehen und von von der Volkswagen-Stiftung in Aussicht gestellt.
Das Sorbische Institut bemüht sich seit Jahren um eine möglichst umfassende Dokumentation des stark bedrohten Niedersorbischen.
Die Mitarbeiter des Sorbischen Instituts protestieren gegen Pläne zur Mittelkürzung
Mit einem offenen Brief haben sich die Mitarbeiter des Sorbischen Instituts an die Öffentlichkeit gewendet.Hier der Wortlaut:
Offener Brief der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sorbischen Instituts Bautzen
Wir sind bestürzt und entsetzt über die am 30.06.2011 veröffentlichten Empfehlungen des Stiftungsrats der Stiftung für das sorbische Volk. Der Etat des Sorbischen Instituts Bautzen e.V. soll um 500.000 € gekürzt werden. Das sind mehr als 26 Prozent der Zuwendungen – eine Summe, die in keinem Verhältnis steht zu den bisher von den Mitarbeitern des Sorbischen Instituts für die Stärkung der Identität des sorbischen Volkes und für den Erhalt und die Pflege der sorbischen Sprache erbrachten Leistungen.
Die vorgesehenen Kürzungen betreffen das Sorbische Institut im Vergleich zu anderen sorbischen Einrichtungen in überproportional hohem Maße, während z. B. die Stiftungsverwaltung und die Domowina – sogar entgegen aller Kritik der sorbischen wie deutschen Öffentlichkeit und ungeachtet aller in entsprechenden Fachgutachten vorgehaltenen Mängel – von den Sparvorhaben ausgenommen sind.
Die Arbeit des Sorbischen Instituts wurde in den letzten 20 Jahren regelmäßig von einem interdisziplinär zusammengesetzten Wissenschaftlergremium analysiert und mit positivem Ergebnis evaluiert. Auch die von der Stiftung in Auftrag gegebenen Gutachten sprechen sich für eine Erweiterung der Forschungsarbeit und Intensivierung der Lehrtätigkeit aus. Die Kürzungspläne der Stiftung für das sorbische Volk stehen in krassem Widerspruch dazu.
Das Sorbische Institut ist die einzige außeruniversitäre akademische Einrichtung, die sich mit der Untersuchung, Standardisierung und Entwicklung der sorbischen Sprache, mit kontinuierlicher Sozial- und Kulturgeschichtsschreibung und mit der Analyse des deutsch-sorbischen kulturellen Beziehungsgeflechts in der Ober- und Niederlausitz beschäftigt. Unsere Veröffentlichungen – u. a. Fachbücher zur Sprach- und Kulturtheorie, Wörterbücher, lexikalische sowie biblio- und biografische Datenbanken bis hin zum kurz vor Abschluss stehenden Sorbischen Kulturlexikon – basieren auf einer soliden geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung, der die Pläne der Stiftung für das sorbische Volk nun den Boden und die Perspektive entziehen.
Gemeinsam mit den Mitarbeitern des Instituts für Sorabistik an der Universität Leipzig sind unsere Wissenschaftler die einzigen Dozenten, die den sorbischen Lehrernachwuchs ausbilden und darüber hinaus kontinuierlich in Deutschland und dem europäischen Ausland Lehraufträge zu sorbischen Themen übernehmen. Wir sind mit einem inhaltlich breit gefächerten Vortrags- und Seminarangebot in Vereinen, Schulen und Weiterbildungseinrichtungen in Ober- und Niederlausitz präsent und vertreten die Sorben in internationalen Wissenschaftsgremien (z.B. im Internationalen Slawistenkomitee, im Europäischen Institut für vergleichende Kulturforschung, im Europäischen Büro für wenig gebrauchte Sprachen).
Das Sorbische Institut unterhält die Sorbische Zentralbibliothek, die als Nationalbibliothek dient, und das Sorbische Kulturarchiv und damit die wesentlichen Stützen der sorbischen Erinnerungskultur, die die Mitarbeiter der Öffentlichkeit wohlgeordnet und strukturiert zugänglich machen. Das Erstellen von Bibliografien, Findbüchern und Bibliothekskatalogen kann ebensowenig wie die Kultur- und Sozialforschung resp. die Sprachforschung einer dem politischen Mainstream folgenden Projektförderung überlassen werden.
Gleichzeitig wird die für eine längerfristig angelegte Perspektive notwendige Erneuerung des Personals mit kompetentem wissenschaftlichen Nachwuchs verhindert. Wir bitten um Ihre Unterstützung bei unserem Protest gegen die Kürzungspläne der Stiftung gegenüber dem Sorbischen Institut.
Bautzen, den 6. Juli 2011
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sorbischen Instituts
Mehr:
https://www.serbski-institut.de/
Kommentar:
Zwei Herzen wohnen in meiner Brust, und doch kann das eine ohne das andere nicht sein: Die Notwendigkeit institutioneller Förderung und der Zwang, Fördermittel und Auftraggeber zu akquirieren.
Freilich ist´s bequem, wenn die Mittel zugewiesen werden und es ist nur verständlich, wenn deren Entzug Bedenken, persönliche Ängste und Protest hervorruft.
Die andere Seite ist: Was wollen wir, am Trog sitzen und warten, was zugeteilt wird, verbunden mit einem ewigen Schmollen, dass es ja doch zu wenig sei? Oder auf die Jagd gehen, das Überleben als Erfolg erleben, als Beweis der eigenen Daseinsberechtigung.
Ich würde mich immer wieder für die Jagd entscheiden. Selbst Förderer und Mäzene akquirieren, selbst nach Förderungen suchen und Förderungen initiieren.
Ja, es ist anstrengend – etwas anderes hat niemals jemand versprochen,
Ihr Fritz R. Stänker
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- Quelle: red | Fritz Rudolph Stänker
- Erstellt am 23.07.2011 - 09:45Uhr | Zuletzt geändert am 10.05.2021 - 18:25Uhr
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