Freie Stellen besetzen – aber wie nur?

Freie Stellen besetzen – aber wie nur?Bautzen / Budyšín, 17. August 2022. Von Thomas Beier. Auch in der Oberlausitz gibt es viele freie Stellen, für deren Besetzung keine entsprechend qualifizierten oder wenigstens qualifizierbaren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefunden werden. Doch nur dem demografischen Wandel und der Abwanderung die Schuld zu geben, geht am Kern des Problems vorbei.

Abb.: Mitarbeiter, die gut ausgebildet sind und jeden Tag mit Freude ans Werk gehen – wer wünscht sie sich nicht?
Symbolfoto: reallywellmadedesks, Pixabay License
Anzeige

Der Arbeitsmarkt ist ein Markt und kein Spielplatz für "Akteure"

Erst gestern habe ich im Zittauer Anzeiger über die Nabelschau bei der Fachkräftesuche geschrieben. Dabei habe ich nicht nur den regional fokussierten Blick auf den Bewerbermarkt kritisiert, sondern auch, dass sich immer mehr Netzwerke, Allianzen und sonstige "Initiativen" – die vielleicht nur auf öffentlich geförderte Arbeitsplätze für sich selbst schielen – zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber schieben. Das sorgt nicht nur für Mehraufwand, sondern verzerrt den Arbeitsmarkt, was unter Umständen wiederum professionelle und leistungsfähige Anbieter davon abhält, aktiv zu werden.

Hinzu kommt der Eindruck, dass in die oft mit Fördermitteln gesponserten Organisationen jene abtauchen, bei denen es für einen vergleichbaren, aber stärker an Ergebnisverantwortung gekoppelten Job in der freien Wirtschaft nicht reicht. Natürlich ist es einfacher, sich auf Koordinatorentreffen und ähnlichem Zeitvertreib gegenseitig die eigene Wichtigkeit zu bestätigen – es gibt wahrlich anstrengendere Möglichkeiten, die Arbeitszeit auszufüllen.

Ein Problem kleinerer Unternehmen

Natürlich spielt beim Thema, Stellen mit den passenden Fachleuten zu besetzen, viel zusammen. Manche Probleme kennen nur die Betroffenen, etwa wenn kleinere, aber potente Unternehmen in Bautzen oder der Oberlausitz ihren Nachwuchs mit viel Aufwand hervorragend ausbilden und dieser dann von größeren Unternehmen oder Verwaltungen abgeworben wird.

Der "blinde Fleck" der Unternehmen

Andere Probleme hingegen liegen im blinden Fleck: Nämlich dann, wenn Betroffene selbst nicht wissen, dass sie ein Problem haben, das sie an der Gewinnung geeigneten Personals hindert. Oftmals betrifft das den aus der Strategielehre bekannten erfolgversprechendsten Punkt, an dem der Hebel anzusetzen ist.

Die gängige Praxis der Personalsuche

Wie also versuchen ostsächsische Arbeitgeber, geeignetes Personal zu finden? Typisch sind Hinweise auf der Webseite, Stellenanzeigen in Zeitungen und Fachzeitschriften, die Teilnahme an Jobbörsen, an Job-Speed-Datings und Jobbörsen, an Karrieremessen, die Aufforderung an die Beschäftigten, sich nach neuen Kolleginnen und Kollegen umzusehen. Manche schalten auch Stellenanzeigen auf einem der vielen Job-Portale im Internet oder in den sozialen Netzwerken.

Den erfolgversprechenden Kommunikationskanal wählen

Für welchen Kommunikationskanal beziehungsweise welches Medium man sich konkret entscheidet, hängt stark von der zu besetzenden Stelle ab. Mal grob gesagt: Jemanden für eine Anlerntätigkeit findet man vielleicht über das lokale, wöchentlich erscheinende Anzeigenblättchen, Stellenanzeigen für Top-Führungkräfte sind im Stellenmarkt der bundesweit erscheinenden und anderen, immer wieder einem guten Zweck dienenden Tageszeitungen erfolgversprechender aufgehoben.

Das unterschätzte Potential

Bei den sozialen Medien – wie die digitalen Netzwerke des Internets nicht ganz richtig genannt werden, denn eigentlich sind es gesellschaftliche Medien – scheiden sich jedoch die Geister. Manche sind hier begeisterte User und schalten selbst Anzeigen, anderen schwant, auch der Beelzebub habe mindestens einen Account und halten sich entsprechend raus. Allen gemein ist aber, dass sie das Potential dieser Netzwerke wie etwa Facebook, Instagramm, Twitter oder Tiktok, um nur einige der bekanntesten zu nennen, nicht ausreizen.

Dabei ist schon das Potential in den auch Social Media genannten Netzwerken riesig: Die globale Studie "Digital 2021" von Hootsuite und We Are Social verortete bereits vor einem anderthalben Jahr nahezu 79 Millionen Internetnutzer in Deutschland, von denen 66 Millionen in mindestens einem der sozialen Netzwerke unterwegs sind – und das bei 83 Millionen Einwohner. Das legt die Vermutung nahe, dass nur Kleinkinder und Hochbetagte via Social Media nicht erreichbar sind. Internetfähige Mobiltelefone gibt es übrigens längst deutlich mehr als Einwohner. "Digital 2022" übrigens attestiert den deutschen Internetnutzern im Alter von 16 bis 64 Jahren, täglich 5 Stunden und 22 Minuten online zu sein.

Streuverluste vermeiden

Die aktiven Nutzer der sozialen Netzwerke sind persönlich angemeldet, wobei es für Werbezwecke in den Netzwerken egal ist, ob unter ihrem echten Namen oder einem erfundenen. Entscheidend ist, dass sich ihre Aktivitäten nachvollziehen lassen und mancher unbewusst hier viel mehr über sich preisgibt, als ihm vielleicht lieb ist. Andererseits weiß jeder, dass seine Daten für Werbezwecke ausgewertet werden und genau hier setzt ein pfiffiges Unternehmen aus Augsburg an: Seine “kroot” genannte Software macht es nicht nur einfach, auch ohne Account etwa eine Stellenanzeige auf Instagram schalten zu können – oder in einem anderen sozialen Netzwerk –, sondern sorgt zudem dafür, dass sie nur der passenden Zielgruppe angezeigt wird. Das reduziert die in vielen anderen Medien manchmal weit höheren Streuverluste und optimiert den Geldeinsatz.

Eine alte Marketing-Weisheit

Dieses Vorgehen hat für den Online Bereich noch einen Vorteil: Während klassische Jobportale nur von jenen aufgesucht werden, die aktiv nach einer neuen Arbeitsstelle suchen, bekommen die Social Media Anzeigen auch jene zu sehen, die zwar nicht aktiv suchen, aber offen für einen Stellenwechsel sind – also den sogenannten passiven Bewerberkandidaten. Es ist eine alte Marketing-Weisheit: Ein Angebot kann man nur wahrnehmen, wenn man überhaupt davon erfährt. So gesehen bringt eine Social-Media-Werbeanzeige manchen erst auf die gewünschte Idee.

Großes Interesse am Fremdeln

Auf Basis von Studien wird angenommen, dass bundesweit vier von fünf Arbeitnehmern grundsätzlich bereit sind, zu einem neuen Arbeitgeber zu wechseln, wenn die Bedingungen dort insgesamt besser sind. Ist das vielleicht die eigentliche Ursache für die Abwanderung leistungsfähiger Arbeitnehmer aus Ostsachsen? Sicher ist es für neue Arbeitgeber attraktiv, Beschäftigte unter Vertrag zu nehmen, die der bisherige Arbeitgeber nur ungern ziehen lässt. Doch wer hat hier etwas falsch gemacht: Der abwerbende Arbeitgeber oder der alte, der vielleicht gar nicht in die Treue und Loyalität seines Personals investiert hat?

Zugestehen muss man auch, dass Arbeitnehmer oft gar kein Interesse daran haben, ihr gesamtes Arbeitsleben bei nur einem Arbeitgeber zu verbringen. Oft ist der Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber die Voraussetzung für den nächsten Karriereschritt, bessere Arbeitsbedingungen oder höheres Einkommen. Das ist anders als im Privatleben: Da darf man nur gucken, aber nicht aktiv werden – im Berufsleben hingegen ist das Fremdeln, also der Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber als Vertragspartner, völlig normal.

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: Thomas Beier | Foto: English / reallywellmadedesks, Pixabay License
  • Erstellt am 17.08.2022 - 16:39Uhr | Zuletzt geändert am 17.08.2022 - 17:42Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige