Wir brauchen Innovationen! Aber woher nehmen?

Wir brauchen Innovationen! Aber woher nehmen?Bautzen / Budyšín, 2. August 2022. Von Thomas Beier. Zu den Modeworten unserer Zeit zählen zweifelsohne "innovativ" und "Künstliche Intelligenz". Oft genug zeigen jedoch bereits die Art und der Kontext ihrer Anwendung, dass jemand allenfalls heiße Luft produziert. So ist etwa die Verarbeitung großer Datenmengen noch lange keine Intelligenz, sondern schlichtweg nur Rechenleistung.

Abb.: Wer stets und ständig seine Kreativität betonen muss, für den ist sie offenbar nicht selbstverständlich – und andererseits: Kreativität auf Kommando geht gleich gar nicht
Bildquelle: StartupStockPhotos, Pixabay License (Bild beschnitten)
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Warum "innovative Ideen" Blödsinn sind

Wenn man eine Innovation in korrekter Weise als die Einführung und Anwendung von etwas gänzlich Neuem definiert, dann ist die vielzitierte "Suche nach innovativen Ideen" bereits ad absurdum geführt: Innovativ wird eine Idee erst dann, wenn sie realisiert wird – alles andere sind einfach nur Ideen. Und ob Ideen, die nicht einmal neu sind, überhaupt Ideen sind, darüber kann man lange philosophieren.

Andererseits schützt auch der Gewinn eines dritten Preises beim Innovationspreis des Freistaates Sachsen im Jahr 2009 nicht davor, ein anderthalbes Jahr später insolvent zu sein und 2020 wieder aus dem Handelsregister gelöscht zu werden. Gerade Start-ups, deren Gründer meinen, eine clevere Idee reiche als Geschäftsgrundlage aus und Kunden würden schon kaufen, wenn man ihnen nur klarmacht, dass sie das brauchen, müssen lernen: Auch das Wirtschaftsleben folgt oft genug nicht den Gesetzen der Logik.

Neben jenen, von denen die Betriebsführung unterschätzt wird, ist es oft die Spätzünder-Fraktion, die mit Innovationen glänzen möchte. Wer die Grundbegriffe des Produktlebenszyklus kennt und sich mit den unternehmerischen Herangehensweisen in den einzelnen Phasen beschäftigt hat, muss immer wieder Lächeln, wenn Ideen, die längst Standard oder altes Eisen sind, in der Provinz als neu verkauft werden sollen.

High Ropes und Escape Rooms

Ein Beispiel sind die Seilgärten – High Ropes / Low Ropes –, wie sie von fachkundigen Trainern in der Persönlichkeits- und in der Team- beziehungsweise Organisationsentwicklung eingesetzt werden. Ungefähr ab dem Jahr 2000, als sich der Hype schon wieder zu legen begann, wurde auch in der Lausitz noch immer in solche Anlagen investiert – allerdings im Grunde ohne pädagogisches Konzept und eher zum Halligalli. Das hier eigentlich mögliche erlebnis- und damit erfahrungsorientierte Lernen wurde durch die Aneinanderreihung von Übungslementen und den bloßen Nervenkitzel ersetzt.

Ähnlich erging es den Escape Roomes, im Deutschen etwa "Räumen für den Ausbruch" oder eine Flucht. Wer nun an den 1962 in Süddeutschland gedrehten Film “The Great Escape” mit Steve McQueen, Richard Attenborough und Charles Bronson – basierend auf einer wahren Fluchtgeschichte amerikanischer Fliegeroffiziere aus dem Stalag Luft III in Sagan (heute Żagań, rund 75 Kilometer nordöstlich von Görlitz), im März 1944 – denken muss, liegt gar nicht so falsch: Auch bei den modernen Escape Rooms geht es darum, sich aus einem Raum, aus dem es scheinbar kein Entweichen gibt, zu befreien.

Das Escape Room Konzept ist gerade mal 15 Jahre alt: nichts Neues

Jedoch ist auch das Escape Room Konzept nach heutigen Maßstäben alt: Zuerst tauchte es im Jahr 2004 in Japan als Computerspiel auf, ebenfalls in Japan entstanden dann 2007 die ersten Live Escape Games, in denen sich die Spieler in reale Escape Rooms begaben. Nutzen lassen sich solche Escape Rooms zur Teamentwicklung, vor allem, wenn im Anschluss ausgewertet wird, wer welche Rolle in der stressigen Situation, als schnellstens eine Lösung für das Verlassen des Raumes gefunden werden musste, eingenommen und welche Stärken ausgespielt hat. Unter Umständen werden auch persönliche Risikofaktoren, wie sie neben seinen Stärken jeder Mensch hat, sichtbar.

In den vergangenen Jahren wurden immer wieder mal Escape Rooms – auch in der Oberlausitz – eröffnet, doch auch hier war die eigentlich spannende Phase längst vorüber: Während Anfangs viele den Ehrgeiz hatten, das neue Erlebnis auszuprobieren, gibt es heute eher eine Fangemeinde, die unterschiedliche Escape Rooms ausprobiert – Business as usual nennt man das auf Anbieterseite.

Bestehendes innovieren

Interessanter ist es, eine bestehende und eingeführte Geschäftidee zu innovieren. Gelungen ist das der ELORIA Erlebnisfabrik in Bottrop, mitten im Ruhrgebiet, einer Region, die im Strukturwandel der Oberlausitz wohl ein Stück voraus ist und davon profitiert, dass man im Ruhrpott zu klotzen statt zu kleckern gewohnt ist – aber das ist ein anderes Thema.

ELORIA bietet auf mehr als 6.000 Quadratmetern Events und Spielerlebnisse, darunter mit dem Loop Escape Room ein ganz neues Escape Room Konzept. Hier geht es nicht darum, wie woanders oft üblich sich binnen einer Stunde aus dem Escape Room zu befreien, sondern die Spieler geraten in eine Zeitschleife: Nach jeweils zehn Minuten gerät der Raum in einen Reset. Die Spieler müssen aus ihren Fehlern in der vorhergehenden Zeitschleife – dem Loop – lernen, um hoffentlich beim nächsten Versuch Erfolg zu haben. Das steigert die Spannung ungemein und ganz nebenbei lernen die Spieler, wie man aus seinen Fehlern lernt.

Resümee

Etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes zu erfinden, ist wahrhaftig schwierig. Auf der suche nach Innovationen kann es hilfreich sein, ältere Erfindungen herzunehmen und auf Innovationspotential abzuklopfen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: English / StartupStockPhotos, Pixabay License
  • Erstellt am 02.08.2022 - 15:57Uhr | Zuletzt geändert am 02.08.2022 - 21:46Uhr
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