Formgestaltung oder Design?

Formgestaltung oder Design?Bautzen / Budyšín, 25. Januar 2022. Von Thomas Beier. Am 2. Januar ist der sächsische Formgestalter Karl Clauss Dietel, geboren 1934, gestorben. Das ist Anlass, einmal über Formgestaltung und Design – zwei Begriffe aus zwei Welten – und Erfolg zu reflektieren.

Abb.: Karl Clauss Dietel
Foto: Jörg Beier
Anzeige

Unter den heute verklärten "Ostprodukten" gab es Qualität – und viel Schrott

Dietel war der vielleicht bekannteste Formgestalter der "DDR" – Formgestalter, nicht Designer. Der Begriff "Design" ist heute bis zur Belanglosigkeit weit gefasst, wohl jeder handwerkliche Werbegestalter versteht sich inzwischen als Designer und betont seine Kreativität. An der Betonung der eigenen Kreativität erkennt man übrigens jene, denen es daran mangelt.

Die Produkte, die heute mit Clauss Dietel in Verbindung gebracht werden – so etwa der Wartburg W353, der auf seinen Grundentwurf zurückgeht, das Simson-Kleinkraftrad S 50, die Erika-Schreibmaschine, Fahrräder und Radios entsprachen jedoch nicht immer zu hundert Prozent seinen oft wegweisenden Entwürfen. So wurde etwa die ursprüngliche Gestaltung des auch 30 Jahre nach der Produktionseinstellung noch immer beliebten S 50 – nicht gerade umweltfreundlich, aber einfach und robust – den Bedingungen der sozialistischen Produktion angepasst, etwa die Kotflügel. Zudem musste Dietels wirklich moderner Entwurf wohl auch ein Stück weit hinter dem Geschmack und den technologischen Gewohnheiten der Ingenieure zurückstehen.

Mangelwirtschaft bremste Gestaltung aus

Generell ist der noch immer verbreiteten Ostalgie-Nostalgie jedoch entgegenzusetzen, dass viele Ostprodukte einfach nur grottig gestaltet waren. Sicher hat das auch an bestimmten Prämissen gelegen wie etwa dem Mangel an betimmten Werkstoffen und Zukaufteilen wie auch der notwendigen Reparaturfreundlichkeit, andererseits: Während heute bei manchem Pkw ein einfacher Glühbirnenwechsel einen Werkstattbesuch nötig macht, lässt sich nun einmal beim Trabi der Scheinwerferring mit einem Schraubenzieher und einem Ruck abziehen und der Scheinwerfereinsatz zwecks Lampenwechsel mit wenigen Handgriffen lösen. Die aufgesetzten Heckleuchten beim Wartburg waren in diesem Sinne ebenfalls service- und zudem herstellungsfreundlich, jedoch vor Beschädigung weit weniger geschützt als eingebaute. Und dass die senkrechten Heckleuchten des Trabis eine schon damals anachronistische Anlehnung an die Formen der Straßenkreuzer waren, wer will’s bestreiten?

Angucken kann man sich die "DDR"-Autos im Sächsischen Industriemuseum Chemnitz. Dort sind auch jene Modelle ausgestellt, die als Nachfolger für Trabant und Wartburg gedacht waren und – so zumindest das Gerücht – zur Vorlage für Golf und Passat wurden. Mit Blick auf der "DDR"-Geschichte muss man deutlich unterscheiden zwischen wirklich guten Formgestaltern, die oft von der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle – Burg Giebichenstein, von der Fachschule für angewandte Kunst Schneeberg oder der Kunsthochschule Berlin-Weißensee kamen, und Industrie-Formgestaltern, die häufig Konstrukteure mit einer Zusatzqualifikation waren. Die letztgenannten ließen meiner Mutter angesichts ihrer Küchenutensilien, sofern sie nicht aus der Vorkriegszeit ererbt waren, hin und wieder das Wort "diese ...verdammten Formgestalter" entfahren und der einzige studierte Formgestalter in der Familie hatte seine liebe Not, sich abzugrenzen.

Formgestaltung heute: Design

Das Wort Formgestaltung scheint inzwischen ausgestorben, das schicke "Designer" hat auch hier obsiegt. Und deren Geschäft ist angesichts der Konkurrenz härter denn je: Während früher im Osten die Zahl der freischaffenden Formgestalter sehr sehr übersichtlich war, kann heutzutage – ob nun ausgebildet oder nicht, geschweige denn begabt – ein jeder seine eigene Designagentur gründen.

Bei näherer Betrachtung scheidet sich jedoch schnell die Streu vom Weizen und gerade im Industriedesign ist die Zahl der wirklich leistungsfähigen Agenturen noch immer überschaubar. Das Tätigkeitsfeld einer Industriedesign Agentur umfasst mehr als das bloße Produktdesign, sondern reicht etwa auch auf die Gebiete der Verpackung und der anwenderfreundlichen Beschriftung. Hinzu kommt häufg eine Spezialisierung auf bestimmte Branchen.

Tipp:
Wer das Ziel hat, Produktdesigner zu werden, ist zunächst mit einer Ausbildung in einem handwerklichen oder technischen Beruf gut beraten, denn gutes Design folgt noch immer nicht nur der Funktion und Handhabbarkeit, sondern muss die Herstellungstechnologie, den Materialeinsatz, die Recyclebarkeit und im Sinne der Nachhaltigkeit zunehmend wieder die Reparaturfreundlichkeit einbeziehen.

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: Thomas Beier | Foto: Jörg Beier
  • Erstellt am 25.01.2022 - 14:01Uhr | Zuletzt geändert am 05.12.2022 - 13:32Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige