Was anfangen mit dem Rest des Lebens?

Was anfangen mit dem Rest des Lebens?Bautzen / Budyšin, 13. April 2022. Von Thomas Beier. Arbeits- und Freizeit auszubalancieren, so dass berufliche Anforderungen und private Bedürfnisse im Einklang stehen, das ist das Ziel der Work-Life-Balance. Wer sich darüber Gedanken macht, sollte nicht schematisch irgendwelchen Regeln folgen.

Abb.: Jeden Tag steht die Welt aufs Neue offen
Foto: Alfonso Cerezo, Pixabay License
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Auf die Qualität der Lebenszeit achten

Salopp gesagt ist die Grundfrage ja immer, was man mit dem Rest seines Lebens anfängt und welche Lebensumstände man als besonders schön empfinden würde. Schon hier lauert die erste Falle: Wer meint, eine Leben ohne Herausforderungen und Anstrengungen sei besonders angenehm, irrt gewaltig: Ohne Herausforderungen gibt es keine Erfolge – und wer schon wünscht sich ein erfolgloses Leben?

Herausforderungen müssen jedoch zur Leistungsfähigkeit passen und vielen fällt es zunehmend schwerer, immer wieder neuen Herausforderungen zu begegnen. Der wachsenden Komplexität versuchen viele, durch Schulungen in Stressmanagement und zur Resilienzstärkung zu begegnen. Der menschengerechtere Weg allerdings wäre, die Anforderungen für den Einzelnen auf einem erträglichen Maß zu halten und so Lebensqualität zu sichern.

Arbeitszeit: Frust oder Lust?

Davon abgesehen sind sicherlich die allermeisten darauf angewiesen, Geld zu verdienen, und wer nicht darauf angewiesen ist, kommt vielleicht mit Sozialleistungen über die Runden oder muss sich, weil wohlhabend, mit der Verwaltung seines Vermögens beschäftigen. Deutlich wird damit, dass Arbeit zum Zwecke des Lebensunterhalts individuell ganz unterschiedlich aussehen kann sein kann.

Mancher muss pünktlich am Arbeitsplatz erscheinen und Dinge erledigen, die ihm keinen Spaß machen, was – nebenbei bemerkt – oft mit schlechter Mitarbeiterführung zu tun hat. Der Gegenpol ist der Selbständige, der nur das macht, was ihm ihm Spaß macht und das auch noch bezahlt bekommt – so etwas soll etwa im künstlerischen Bereich vorkommen; auch Reisereporter berichten davon, dass sie ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.

Prioritäten setzen

Wer am Beginn seines Berufslebens steht, ist frei in der Entscheidung, als Arbeitnehmer auf Regelmäßigkeit und eine gewisse soziale Sicherheit zu setzen oder als Unternehmer sein Berufsleben selbst zu gestalten. Das geht nicht von heut’ auf morgen, aber mit der richtigen Strategie kann man sich nach und nach eine berufliche Unabhängigkeit von Chef und vorgegebener Arbeitszeit aufbauen. Natürlich begibt man sich als Selbständiger auch in Abhängigkeiten, der große Unterschied ist jedoch, ob man sich nach Vorgaben richten muss oder selbst darüber entscheidet.

Realistisch ist allerdings, dass die allermeisten Leute als Arbeitnehmer durch Leben gehen, was ja auch Vorteile hat. Dazu gehört, dass es grundsätzlich einen Feierabend gibt, der dazu führt, dass betriebliche Belange aus dem Privatleben ausgeblendet bleiben. Selbständigen gelingt das oft nur bedingt und manche gehen sogar soweit, Berufs- und Privatleben nicht mehr zu trennen. Die generelle Vermischung beider Lebensbereiche bringt umfassende Risiken mit sich, von mangelnder Erholung bis zur Einschätzung des Finanzamtes, beruflich veranlasste Aktivitäten seien eine Freizeitbeschäftigung, weil es sich eben nicht trennen lässt.

Work-Life-Balance gestalten

Doch Work-Life-Balance ist mehr, als die als lästig empfundene Arbeitszeit von der angenehmen Freizeit zu trennen und das Verhältnis immer mehr in Richtung Freizeit zu verschieben. Vielmehr geht es um die Qualität der Lebenszeit insgesamt. Das bedeutet einerseits, sich eine Arbeit zu suchen, die Spaß macht, sowohl inhaltlich, im Personenumfeld und in Bezug auf die Bezahlung.

Andererseits geht es um die Qualität der Freizeit. Hier gibt es eine Grundregel: Anstelle sich Erlebnisse an einem Bildschirm vorsetzen zu lassen ist es viel besser, selbst zu erleben. Das kann durch soziale Interaktion in der Familie oder mit Freunden erfolgen, durch Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst – Stichworte Ernährung und Bewegung – und durch alles, was Gefühle und Sinne anspricht.

Viele haben verlernt, sich auf ungewohnte Situationen einzulassen und sich Erlebnisse zu verschaffen. Wer etwa schon einmal eine Sommernacht allein im Wald verbracht hat oder mit dem Zug in einer fremde Stadt gefahren ist, um sich ein-zwei Tage durchzuschlagen, hat eben wirklich etwas erlebt. Vielen erscheint das unmöglich, lieber führen sie ein Leben auf Distanz zu allem Fremden und Ungewohnten.

Möglichkeiten für eine Auszeit

Ein bekanntes Instrument, einmal aus der Routine des Arbeitslebens auszubrechen, ist das Sabbatical. Dabei geht es gewöhnlich um eine Zeitspanne von drei Monaten bis zu einem Jahr, in der man dem Arbeitsplatz fernbleibt.

Finanziell wird das ganz unterschiedlich gestaltet:


    • Sonderurlaub ohne Gehalt, aber weiter vom Arbeitgeber sozialversichert; allerdings geht das nur vier Wochen lang. Die können jedoch mit dem Jahresurlaub kombiniert werden.

    • Das Arbeitsverhältnis ruhen zu lassen bedeutet als weitere Variante, dass sich der Arbeitnehmer selbst sozialversichern muss, mindestens in der Kranken- und Pflegeversicherung.

    • Eine weitere Möglichkeit ist es, mit dem Arbeitgeber ein Arbeitszeitkonto zu vereinbaren und darauf Überstunden anzusparen, die dann während des Sabbaticals abgefeiert werden. Vorteil: gehalt und Sozialversicherung laufen weiter.

    • Nicht ganz unkompliziert, aber für Arbeitnehmer attraktiv ist ein insolvenzgesichertes Zeitwertkonto, auch Lebensarbeitszeitkonto genannt. Hier werden Überstunden, ungenutzte Arbeitstage und etwa Sonderzahlungen gutgeschrieben. Im Sabbatical oder etwa beim vorgezogenen Ruhestand wird mit dem Zeitwertkonto das Gehalt finanziert und die Sozialversicherung ebenfalls. Möglich ist es auch, seine Auszeit durch Lohnverzicht zu finanzieren. Auch hier ist eine insolvenzsichere Gestaltung – Stichwort Zeitwertkonto – anzuraten.

Instrumentarium für Veränderungen

Das Zeit-, Ziel- und Erfolgsmanagement liefert einen ganzen Werkzeugkoffer voller Methoden, sein Leben besser in den Griff zu bekommen, jedoch: Entgegen der Darstellung vieler Erfolgs- oder Mentaltrainer hilft das alles nur wenig, wenn man noch nicht zu sich selbst gefunden hat. Auf diesem Weg sind “Psycho-Tests”, die eine Aussage liefern, welcher Typ man wohl sei, nicht hilfreich, denn der Mensch ist widersprüchlich und reagiert etwa in vergleichbaren Situationen durchaus unterschiedlich.

Ein guter Ansatz ist hingegen, sich selbst als den Mittelpunkt seiner eigenen Welt zu sehen und sein Leben nicht vor allem nach den Erwartungen anderer zu leben. Wer sein Leben proaktiv selbst gestaltet gelangt automatisch zu Grundsätzen für sich selbst, die einen sinnvollen Methodeneinsatz erst möglich machen.

Eine gute Work-Life-Balance oder eine wirkliche Auszeit aus dem Alltag bieten den Rahmen, neue Gedanken für den Rest des Lebens zu entwickeln. Nur Mut!

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: alfcermed / Alfonso Cerezo, Pixabay License
  • Erstellt am 13.04.2022 - 10:54Uhr | Zuletzt geändert am 13.04.2022 - 11:40Uhr
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