Regionale und berufsspezifische Muster der Suchterkrankungen in Sachsen
Bautzen, 24. November 2023. Nach einer Untersuchung der Barmer-Krankenkasse von 2023 gehört Sachsen nach wie vor zu den Bundesländern mit den meisten Suchterkrankungen. Ein genauerer Blick in Landkreise und Berufsbranchen zeigt dabei erhebliche Unterschiede zwischen den sächsischen Regionen und auch zwischen verschiedenen Berufsgruppen. In Sachsen sind die Region Chemnitz und die Landkreise Bautzen und Görlitz am meisten betroffen, der Erzgebirgskreis am wenigsten. Die Großstädte Leipzig und Dresden liegen im sächsischen Vergleich erstaunlicherweise nur im Mittelfeld, aber deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt.
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Hohe Fallzahlen in Sachsen werfen zahlreiche Fragen nach den Ursachen auf
Eine drogenfreien Welt ist wohl unrealistisch, aber Menge und Häufigkeit des Konsums machen den Unterschied
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Diese Ergebnisse werfen einige Fragen auf: Sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Sachsen besonders belastend? Arbeiten die Menschen dort unter anstrengenderen Umständen? Dieser Eindruck entsteht, wenn man die neuen Daten des Morbiditäts- und Sozialatlas betrachtet, die das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) herausgegeben hat. Diese Daten zeigen auffallend hohe Raten von Suchterkrankungen unter den Beschäftigten in Sachsen. Spezifisch ausgedrückt: In Chemnitz sind besonders viele Fälle von Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit mit 264 Erkrankungen pro 10.000 Einwohner zu verzeichnen. Dicht dahinter liegen die Regionen Görlitz und Bautzen mit 256 bzw. 255 Fällen pro 10.000 Einwohner. Der Erzgebirgskreis hat mit 190 Fällen pro 10.000 Einwohner die niedrigste Erkrankungsrate. Die Großstädte Leipzig und Dresden weisen mit 228 bzw. 230 Fällen pro 10.000 Einwohner deutlich höhere Werte auf als der bundesdeutsche Durchschnitt von 183, sind aber nur sächsisches Mittelmaß. Die Daten zeigen zudem, dass Suchterkrankungen bei Männern häufiger diagnostiziert werden als bei Frauen.
Die Wahrscheinlichkeit, abhängig von Alkohol, Drogen oder Medikamenten zu werden, scheint stark vom Berufsfeld abzuhängen. Laut den Daten ist das Risiko einer Suchterkrankung für Beschäftigte im sächsischen Bau- und Gastgewerbe besonders hoch. Bei Arbeitnehmern in den Bereichen Bergbau, Energie- und Wasserversorgung, Entsorgung sowie Baugewerbe liegt die Rate bei 245 Erkrankungen pro 10.000 Einwohner, verglichen mit einem Bundesdurchschnitt von 168. Im Gastgewerbe beträgt diese Rate 224 Fälle pro 10.000 Einwohner, wobei hier besonders häufig der Drogentest, u.a. auf Methamphetamine, Cannabis und Kokain, positive Ergebnisse anzeigte. Dies ist vielleicht auch den langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten in dieser Branche geschuldet. Am geringsten ist das Risiko in Erziehungs- und Lehrberufen mit etwa 94 Fällen pro 10.000 Einwohner, im Vergleich zu 86 auf Bundesebene. Interessanterweise sind es nach Angaben der Barmer nicht die jungen Menschen, die am häufigsten abhängig werden; die meisten Betroffenen sind zwischen 40 und 79 Jahre alt. Diese Altersgruppe war auch am stärksten von den wirtschaftlichen Veränderungen in den 1990er Jahren und den radikalen Umbrüchen in ihrem Berufsleben betroffen.
Vielfältige Gründe der Suchtproblematik erfordern auch komplexe Lösungen
Abhängigkeit ist ein komplexes Phänomen mit vielfältigen Ursachen und Erscheinungsformen. Sie entwickelt sich häufig aus einer Kombination von biologischen, psychologischen, psychotraumatologischen und sozialen Faktoren. Ein Beispiel ist der schleichende Übergang vom gelegentlichen Feierabendbier zur Abhängigkeit, ein Prozess, der oft unterschätzt wird. Schwierigkeiten, für mehrere Wochen auf Alkohol oder Drogen zu verzichten, können bereits ein frühes Anzeichen für eine beginnende Sucht sein. Eine Analyse der Einkommensverhältnisse zeigt, dass die Ursachen der Abhängigkeit nicht nur biologisch, regional oder sozial zu erklären sind. Ökonomische Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere bei der Hauptbetroffenengruppe der Geringverdiener in Sachsen, die weniger als 15.000 Euro jährlich verdienen. Hier sind über 370 von 10.000 Personen von Sucht betroffen. Ein Blick auf die Verteilung der Suchtproblematik in ganz Deutschland offenbart eine enge Verbindung zur ökonomischen Situation, mit hohen Betroffenenraten in Ostdeutschland und besonders niedrigen in Süddeutschland.
Abschließend bleibt zu betonen, dass Sucht keine Frage von Willenskraft oder Charakter ist, sondern eine chronische Erkrankung ist, die jeden Menschen betreffen kann. Um einer Chronifizierung vorzubeugen, ist es entscheidend, dass Betroffene frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Rechtzeitige Beratung und Therapie sind oft am wirksamsten. In Sachsen stehen 45 Suchtberatungsstellen mit etwa 200 Beratern zur Verfügung. Diese Beratungsstellen befinden sich in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern sowie bei kirchlichen und sozialen Einrichtungen. Sie bieten medizinische Unterstützung, klären auf, motivieren zur Therapie, helfen bei der Antragstellung, beraten bei der Auswahl einer geeigneten Behandlungseinrichtung und unterstützen im Anschluss daran die Sicherstellung des Therapieerfolgs durch ambulante Nachsorge.
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- Erstellt am 24.11.2023 - 09:28Uhr | Zuletzt geändert am 24.11.2023 - 10:41Uhr
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