Mehr Respekt vor der Jugend!
Bautzen / Budyšín, 7. Januar 2022. Seit Jahrtausenden schimpfen die Älteren auf die Jugendlichen: Sie seien faul, verdorben und hätten keinen Respekt vor den Alten. Wie wäre es denn, wenn die Älteren einmal etwas Respekt vor den jungen Leuten aufbringen würden?
Von der Schwierigkeit des sozialen Aufstiegs aus prekären Verhältnissen
Immerhin hat es die heutige junge Generation beileibe nicht leichter als jene, die ihre Jugend vor 1990 im Osten – sprich der "DDR" – erlebt haben und, mittlerweile selbst zu den älteren Semestern zählend, gern mal über "die Jugend" herziehen. Ein Drogenproblem, mit dem sich Jugendliche heutzutage auseinandersetzen müssen, gab es nicht – außer dem omnipräsenten Alkohol, der fast zur Staatsdoktrin gehörte. Sich den Hintern auf dem Sofa breitsitzen, um online zu spielen? Fehlanzeige dank noch nicht erfundenem Internets. Der unfreiwillige Zwang, sich ständig irgendwelchen neuen Moden anzupassen, um nicht ausgeschlossen zu werden, war im Osten zumindest bis in die Siebzigerjahre mangels Verfügbarkeit von Mode nur rudimentär ausgeprägt; gute Jeans erfüllten so manches Modebedürfnis, bevor die Jugendszenen von den Poppern bis zu den Punks entstanden.
Hinzu kommt: Das Bildungssystem des untergegangenen Ostens hat auch den größten Totalversager und die gewaltigste Totalversagerin nicht durchfallen lassen, wenn es nur ansatzweise etwas guten Willen gab: Wer mit der achten Klasse die allgemeinbildende Oberschule verlassen musste, konnte zumindest einen Teilfacharbeiterbrief erwerben und blieb in der Arbeitswelt sozialisiert. Und dort passten oft genug das Kollektiv oder die Brigade auf und versuchten zu helfen, wenn jemand in private Schwierigkeiten geriet.
Keine Ausbildung, kein Job?
Heute ist das Maß der Verführungen für Jugendliche und Heranwachsende weitaus größer und wer keine Eigeninitiative zeigt, der oder die bleibt auf der Strecke. Eigeninitiative ist aber nicht jedermann Sache und stets begrenzt, nicht ohne Grund haben Coaches im Sport und in der Wirtschaft viel zu tun. Das Erwachen kommt oft erst später, wenn klar wird, welche Chancen die Arbeitswelt jenen bietet, die gut ausgebildet und kontinuierlich weitergebildet sind.Fachleute sind allerorten gesucht, was jedoch früher Anlernkräfte als Arbeitsinhalt erledigten, ist heute oft automatisiert, digitalisiert oder dem Weltmarkt zum Opfer gefallen. Da ist es gut, wenn Arbeitsvermittler Arbeit ohne Ausbildung vermitteln. Wenn auch abnehmend gibt es noch immer Nachfrage in Jobs, für die keine herkömmliche Ausbildung gefragt ist, bei denen man jedoch all sein Wissen und seine Erfahrungen in die Waagschale werden kann.
Wer sich in jungen Jahren mit dem Lernen schwertut, sollte zusehen, noch die Kurve zu kriegen, bevor es zu spät ist. Dazu gehört oft, sich nicht an seinem persönlichen Umfeld zu orientieren, sondern an das eigene Leben zu denken. "Das Leben ist keine Generalprobe!", sagt der Volksmund und bringt es perfekt auf den Punkt. heute ist der Tag, den Rest seines Lebens positiver zu gestalten – und wer die Tage im gewohnten Trott verstreichen lässt, verringert sein Potential.
Wertvolle Kontakte
Ausschlaggebend für den schwierigen ersten Schritt in Richtung Veränderung sind immer wieder neue Kontakte, die als Vorbilder wirken oder auf motivierende Weise mögliche Wege, eine als unangenehm empfundene persönliche Situation zu verbessern, aufzeigen. Das können erfahrene Berufsberater oder Sozialpädagogen in Vereinen sein.Eine große Rolle spielt zudem, wie in Weiterbildungseinrichtungen mit jenen umgegangen wird, die noch nicht den passenden Weg ins Berufsleben gefunden haben. Werden Bildungsteilnehmer hier nur geparkt und bespaßt oder in ihrer Situation ernst genommen und abgeholt?
Leit- und Vorbilder finden
Es ist für junge Leute heute weit schwieriger Personen zu finden, an denen man sich gut orientieren kann. Das zeigt sich in Berufszielen, bei denen als Ausdruck von Cleverness mit wenig Aufwand an Bildung und Arbeit möglichst viel Geld verdient werden soll. Viele orientieren sich an ihren Eltern und schlussfolgern entweder, dass sie sich "nicht ein Leben lang krumm machen" wollen, oder sie sagen "Ich mach’ Hartz IV!", was in Kombination mit ein wenig Schwarzarbeit das Portemonnaie mitunter besser füllt als ein geregeltes Anstellungsverhältnis.Zum Glück stellt sich auch in den beiden ostsächsischen Landkreisen eine ganze Reihe von Initiativen und Vereinen dieser Problematik. Sie helfen bei der frühzeitigen Berufsorientierung und bei der erfolgversprechenden Besetzung von Ausbildungsplätzen. Im Landkreis Bautzen etwa haben das Jobcenter, die Arbeitsagentur und das Jugendamt gemeinsam die Jugendberufsagentur JUBAG auf- und ausgebaut. Wer jünger als 27 Jahre ist, findet hier hilfreiche Ansprechpartner, die rund um Schule, Ausbildung, Arbeit und Alltagsprobleme unterstützen.
Resümee
Es ist ein verdammt gutes Gefühl, wenn ein alter Knacker – oder, um gendergerecht zu sein, eine alte Knackerin – fragt: "Was haben Sie denn schon in Ihrem Leben auf die Beine gestellt?" und man antworten kann: "Mich!"-
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- Quelle: TEB | Foto: WFlore / Flore W, Pixabay License
- Erstellt am 07.01.2022 - 15:39Uhr | Zuletzt geändert am 11.01.2022 - 12:11Uhr
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