Braucht Standpunkt Dialog?
Bautzen / Budyšín, 24. September 2020. Von Thomas Beier. In Sachsens Oberlausitz brodelt es: Es scheint, also habe angesichts der Corona-Pandemie ein Sammelsurium von "Reichsbürgern", Impfgegnern, Rassisten, Nazis alter und neuer Art, Esoterikern und Verschwörungstheoretikern einen gemeinsamen Nenner gefunden. Die damit verbundenen Diskussionen in den sozialen Netzwerken sind zwar intensiv, inhaltlich aber eher flach – was ebensolche Ansichten weiter bestärkt..
Bautzen kann zum Vorbild im gesellschaftlichen Diskurs werden
Insbesondere Leute, die sich mit dem Erfassen komplexer Zusammenhänge eher schwertun, suchen sich Äußerungen anderer – immer wieder hanebüchener Unsinn, Halbwahrheiten oder glatte Lügen – zusammen, um damit zu argumentieren. Oft werden mangels eigener Argumente nur noch Links zu Webinhalten ausgetauscht. Anstelle produktiv zu diskutieren geht es immer wieder nur darum, aus dem verbalen Schlagabtausch als Sieger hervorzugehen. Als Sieger versteht sich der, der das letzte Wort hatte, also den anderen zum Schweigen brachte.
In aller Regel halten sich kluge Leute aus derlei Diskussionen heraus und tauschen sich lieber mit jenen aus, die gleicher Meinung wie sie selbst sind. Dass sich in den Internet-Netzwerken vor allem Leute mit ähnlichen Ansichten begegnen, dafür sorgen Algorithmen – mit der fatalen Folge, dass selbst die krudesten Ansichten Zustimmer finden, die sich auf diese Weise gegenseitig bestärken. Hinzu kommt, dass direkte Diskussionen mit einfach gestrickten Menschen, die einer Überzeugung anhängen, unendlich mühsam sind, wenn diese selbst simplen Fakten und Zusammenhängen nicht folgen können. Einfach gestrickt zu sein, das hat nur sehr wenig mit Bildung zu tun: Fachlich dazuzulernen führt nicht automatisch zur Fähigkeit, Komplexität zu erfassen – so gesehen können auch Dumme promovieren, wenn sie nur fleißig Fachwissen angehäuft haben.
Der Umgang mit schwierigen Zeitgenossen war schon immer – logisch – schwierig. Dass sich diese nun aber über das Internet vernetzen, verleiht seltsamem Gedankengut eine neue Dimension, nämlich eine materielle. Nachvollziehen kann man das anhand der Berliner Anti-Corona-Demonstrationen oder beim "stillen Protest" – der gar nicht still ist, sondern sehr viel über die Menschen, die daran teilnehmen, erzählt – an der B 96. Der Übergang von Meinungen in die materielle Dimension ist, wenn auch nicht zwangsläufig, der Türöffner für Gewalt – und sicher gibt es Kreise, die daran interessiert sind.
Der Nationalsozialismus in Deutschland, wie er von 1933 bis 1945 an der Macht war, speiste sich aus unterschiedlichen Quellen. So spielten die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit dem folgenden "Schmachfrieden von Versailles" eine Rolle, ebenso esoterische Elemente, Landsknechtsromantik, die "Vorsehung", die Theorie einer "jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung", die Ausmerzung der "Lügenpresse" und damit kritischer Stimmen und anderes mehr. Wie sich manche Ansichten der Gegenwart doch ähneln: Da wollen Migranten angeblich die Früchte des von den Deutschen geleisteten Wiederaufbaus nach 1945 ernten – wobei unter den Tisch fällt, dass Gastarbeiter einen ganz wesentlichen Anteil geleistet haben. Heute folgen Erscheinungen wie QAnon antisemitischen Mustern, Impfgegner protestieren gegen "Zwangsimpfungen", für die noch nicht einmal ein Impfstoff erfunden ist, die seriöse Medienlandschaft wird kritisiert von jenen, die sie nicht konsumieren.
Letztendlich richten sich die Proteste der Anti-Corona-Plattform, wenn man diese so nennen will, gegen die entwickelte Demokratie, so wie der Schlachtruf "Merkel muss weg". Der gesellschaftliche Entwicklungsstand der Fünfzigerjahre, als die Zeit des Nationalsozialismus noch nicht aufgearbeitet, aber die Erlebnisgeneration im Selbstverständnis sich sicher war, kein Nazi (gewesen) zu sein, reüssiert wieder und konfrontiert sich mit der demokratischen Mehrheitsgesellschaft. Wie damit umgehen?
Ein Beispiel, wie unterschiedliche Ansichten nebeneiander stehen können, lieferte die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 12./13. September 2020. In einem von Ulrike Nimz und Antonie Rietzschel geführten Interview äußern sich der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens und die Stadträtin Annalena Schmidt zum Thema "Ausgrenzen oder ausredenlassen?", der Beitrag ist online verfügbar und kann als Probeabo kostenfrei gelesen werden. Das beste, was Bautzen passieren kann, ist eine gute Diskussionskultur, die zum Vorbild wird.
Tief im Osten geht es noch immer darum, die geistig-mentalen Folgen der beiden deutschen Diktaturen von 1933 bis 1989 zu überwinden. Das braucht noch Generationen. Der Dialog der unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen geht nur mit Beteiligung aller, ob nun repräsentativ auf der Bühne oder im Alltag.
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- Quelle: red | Fotos: © BeierMedia.de
- Erstellt am 24.09.2020 - 05:11Uhr | Zuletzt geändert am 24.09.2020 - 07:02Uhr
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