Älteste Sächsin lebt in Bautzen
Bautzen / Budyšin, 15. September 2019. Die älteste Sächsin, die im Pflegeheim in der Bautzener Seidau lebt, wurde vorgestern 110 Jahre alt: Anna Cernohorsky kam 1909 Molschen (tschechisch Malešov) in Österreich-Ungarn zur Welt. Sie feierte mit ihrer Familie und mit Bekannten, zu den Gratulanten gehörte auch Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens.
Abbildung: Der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrenes beglückwünschte Anna Cernohorsky zum 110. Geburtstag
Ein Jahrhundertleben und ein Ort in der heutigen Dreiländerregion
Molschen? Das kennt wohl kaum jemand, obgleich der Ort ein Spiegelbild europäischer Geschichte im 20. Jahrhundert ist und mit seiner Geschichte für die heutige Dreiländerregion steht.
Hier, in Norwestböhmen, lebten Deutsch und Tschechen, die reichlich sieben Prozent der Bevölkerung ausmachten, friedlich zusammen. Nach dem Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye, der als Folge des Ersten Weltkriegs am 10. September 1919 die österreichische Reichshälfte Osterreich-Ungarns auflöste und Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien der neu gegründeten Tschechoslowakei zuordnete, änderte sich die deutsche Bezeichnung des Ortes in Malschen. Erst die Nazis führten nach der Eingliederung des Sudentenlandes ins Deutsche Reich im Jahr 1938 wieder den Ortsnamen Molschen ein – und schürten die Zwietracht zwischen den Bevölkerungsgruppen. Nicht alle ließen sich anstecken, viele Deutsche blieben anständig, andere entpuppten sich. Im offiziellen Sprachgebrauch war Molschen seit dem Kriegsende und der Vertreibung obsolet. Seit 1992 wird der Ort von Leitmeritz (Litoměřice) aus verwaltet.
Auch Anna Cernohorskys Familie wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vertrieben, sie fand 1946 in Bautzen eine neue Heimat. Die gelernte Damenmaßschneiderin nutzte ihr Können, um die Familie durch die Nachkriegszeit und die Hungerzeiten zu bringen.
Während der Zeit der "DDR" blieb die dreifache Mutter selbständig tätig und pflegte Handarbeiten bis in ihr hohes Alter. Selbst als sie im Jahr 2011 – mit immerhin 102 Jahren – aus ihrer Wohnung ins Pflegeheim zog, konnte sie die Hände nicht von Nadel und Faden lassen. Inzwischen, so weiß es ihr 85jähriger Sohn zu berichten, tritt sie diesbezüglich etwas kürzer. Ansonsten geht es der humorvollen Frau erfreulich gut. Das liegt wohl auch an den regelmäßigen Besuchen ihrer elf Enkel und unzähligen Urenkel und Ururenkel.
Was für ein Leben! Kaiser, Weimarer Republik, sowjetische Besatzung und "DDR", die deutsche Wiedervereinigung, zwei Weltkriege... Mögen wir demütig schauen auf 74 Jahre Frieden im Land und 29 Jahre Demokratie und Freiheit und alles tun, dies nicht zu gefährden.
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- Quelle: red / TEB | Bildquelle: Stadtverwaltung Bautzen
- Erstellt am 15.09.2019 - 14:19Uhr | Zuletzt geändert am 14.09.2022 - 06:30Uhr
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