Demonstrationsrecht nicht missbrauchen
Bautzen / Budyšin, 22. Februar 2019. Die Tradition des 8. März, von der UNO in den Siebzigerjahren zum "Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden" gekürt, reicht in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Ausgerechnet diesen Tag haben in Bautzen Leute, die offenbar mit den Werten des modernen Deutschlands nichts anfangen können, für eine Demonstration gegen die Stadtrats-Kandidatur einer Frau ausgewählt. Der eigentliche Skandal ist nicht das Datum, sondern: Die Frau soll am der Ausübung ihres demokratischen Grundrechts, sich zur Wahl zu stellen, gehindert werden.
Abbildung oben: Bautzen zwischen Postkartenidyll und Alltag – Wie groß ist der Widerspruch?
Oberbürgermeister Ahrens zur geplanten Demonstration
Die Frau ist Annalena Schmidt, Bloggerin aus Bautzen, eine Frau, die polarisiert. Die – nicht in Bautzen sozialisiert – einen grellen Blick auf die Stadt wirft. Die Alltagsrassismus anprangert, wie sie ihn wahrnimmt, und in Worte fasst, wie sich braune Gesinnung und ihre Vorstufen im Alltag zeigen. Ob eine Einteilung in gut und böse unsere Welt ausreichend beschreibt, kann man lange diskutieren. Wer sich gegen Vorurteile wendet, muss bedenken, dass solche im Vor-Urteile nicht ohne Grund bestehen und helfen, sich schnell zu orientieren – was niemanden davon freispricht, seine eigenen Vorurteile immer wieder in Frage stellen zu müssen.
Eigentlich sollten die Bautzener dankbar sein für diesen Blick auf ihre Stadt oder ihn zumindest mit Interesse aufnehmen. Doch der Mensch als solcher ist nur in geringem Maß von Vernunft geprägt (sonst gäbe es keine Raucher, keine Kriege etc. pp.), sondern viel stärker von Emotionen und tief sitzenden Instinkten. Das führt oft dazu, Kritik als persönlichen Angriff zu werten oder sich Veränderungen entgegenzustemmen; einziges Gegenmittel: Bildung und persönliche Reife. Vielleicht agiert Annalena Schmidt auf diesem Terrain nicht geschickt, vielleicht will sie das auch gar nicht.
Eine Stadtgesellschaft aber lebt davon, dass niemand ausgeschlossen wird, vor allem niemand, der sich zum Wohle der Stadt engagiert. Und sie lebt davon, auf dem Boden des großen Grundkonsens zu bleiben: Demokratie, Respekt des Rechts und persönlicher Anstand. Genau diese drei Punkte jedoch werden verlassen, wenn gegen die Kandidatur Annalena Schmidts, die sich für einen Sitz im Bautzener Stadtrat bewirbt, demonstriert werden soll. Sogar von Ausbürgerung war in einem früheren Statement der Veranstalter die Rede, teilt die Stadtverwaltung mit.
Standpunkt des Oberbürgermeisters
Nachdem von der Stadtverwaltung die Situation mit dem Landkreis Bautzen als zuständiger Versammlungsbehörde abgeklärt wurde, merkt der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens an: "Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut. Nicht davon gedeckt sind aber Demonstrationen, die gegen Artikel des Grundgesetzes verstoßen oder Personen ihre Grundrechte absprechen. Es ist geradezu grotesk, wenn sogenannte 'Republikaner' und ihre Mitläufer anderen Mitbürgern das Recht zur Teilnahme an allgemeinen, freien und gleichen Wahlen absprechen möchten. Dies ist erbärmlich, völlig inakzeptabel und steht außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Da die Stadt Bautzen nicht als Versammlungsbehörde fungiert, können wir derartige Versammlungen nicht verbieten. Wir rufen aber alle Bautzenerinnen und Bautzener dazu auf, sich an solchen antidemokratischen und menschenfeindlichen Demonstrationen nicht zu beteiligen. Jeder und jede – egal wo er oder sie herkommen – hat das Recht, für den Stadtrat zu kandidieren. Es ist immer gut, wenn Menschen politisch Verantwortung übernehmen wollen."Dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf, kann man in Artikel 3 des Grundgesetzes nachlesen.
Auch Bautzener Vereinigungen gegen die Demonstration
Veit Gähler hat dem Bautzener Anzeiger einen Aufruf übermittelt, dessen Inhalt der Appell ist, nicht an der Demonstration "Annalena im Stadtrat verhindern" teilzunehmen: "Wir, die Bautzener, haben in den nächsten Monaten die Möglichkeit, uns mit Frau Schmidt im Rahmen des Stadtratswahlkampfes auf sachlicher Ebene auseinanderzusetzen."Dem Aufruf ist zu entnehmen, dass er von Vertretern der Gruppierungen
- Bautzener Bürger-Forum "FÜR BÜRGER VON BÜRGERN",
- "Wir sind Deutschland" (WsD Bautzen),
- "die 89er",
- "Denkstemit?!",
- "Bautzner Frieden n.e.V." und
- "Bürger Bündnis Bautzen"
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- Quelle: red / TEB Fotos: © Bautzner Anzeiger
- Erstellt am 28.02.2019 - 05:27Uhr | Zuletzt geändert am 13.09.2019 - 15:29Uhr
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