Husarenhof Bautzen: ein Jahr danach

Bautzen / Budyšin, 15. Februar 2017. Ungefähr 300 Asylsuchenden sollten Mitte 2016 in den Bautzener Husarenhof, ein früheres Hotel, einzieghen – doch am 21. Februar 2016 brach dort gegen 3.30 Uhr ein Feuer aus. Diese Tatsache und das Verhalten einiger Schaulustiger sorgten für Schlagzeilen und emotionale Aufladung. Nun hat die Stadtverwaltung Bautzen noch einmal die Fakten zusammengefasst. Es zeigt sich: Trotz einiger weniger Krakeeler ist Bautzen weltoffen und ausländerfreundlich.

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Massive Störer, aber keine Behinderungen

Etwa 70 Feuerwehrleute aus Bautzen und den umliegenden Gemeinden waren an jenem Februarmorgen im Einsatz. Zu den Negativ-Schlagzeilen führte auch die erste Polizeimeldung, in der von "massiven Störern" und Beifallsbekundungen durch Passanten die Rede war. Zudem wurde vermutet, dass es sich um eine politisch motivierte Brandstiftung handele.

In der Tat: Als Ursache des Feuers wurde eine Brandstiftung nachgewiesen. Ob diese allerdings politisch motiviert war, bleibt zumindest fraglich. Vielmehr würden, so die Stadtverwaltung, mehrere Fakten dagegen sprechen, so die Vorgehensweise: Während andernorts Fensterscheiben mit Brandsätzen eingeworfen wurden, begaben sich der oder die Täter im Husarenhof sehr weit in das Gebäudeinnere. Zudem stellten die Brandermittler eine außergewöhnlich hohe Qualität der Brandsätze fest. Polizei und Staatsanwalt ermitteln noch immer, zwischenzeitliche Hausdurchsuchungen bei Verdächtigen führten bislang jedoch zu keinen Ergebnissen.

Keine "massiven Behinderungen"

In den folgenden Tagen stellte die Polizei klar, dass es nicht zu "massiven Behinderungen der Einsatzkräfte" gekommen sei, sondern dass die Formulierung im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechtes zu verstehen sei und es drei sogenannte "Störer" gab, die den Gefahrenbereich auch auf Aufforderung nicht verlassen hatten – was sie rechtlich eben zu "massiven Störern" werden ließ. Auch Befragungen von Zeugen und Feuerwehrleuten ergaben ein sehr differenziertes Bild. Tatsächlich mussten die drei genannten jugendlichen Störer mit Hilfe der Polizei aus dem Gefahrenbereich gedrängt werden. Die Fälle wurden polizeilich aufgearbeitet und die Täter inzwischen in Verbindung mit anderen Straftaten verurteilt.

Unabhängig davon gab es tatsächlich etwa 15 bis 20 Gaffer, von denen einige unverhohlen ihrer Freude über die Ereignisse zum Ausdruck brachten. Dieses Verhalten hat nicht nur Oberbürgermeister Alexander Ahrens verurteilt, auch aus breiten Bevölkerungsschichten gab es große Kritik daran.

Schicksal des Husarenhofs unklar

Wegen der großen Gebäudebeschädigungen, die die geplante Nutzung als Unterkunft für Asylsuchende nicht mehr zuließen, hat das Landratsamt Bautzen den Vertrag mit dem privaten Eigentümer des Husarenhofes Mitte März 2016 gekündigt. Der Dachstuhl des Hauses wurde gesichert, jedoch liegen keine Informationen zu möglichen weiteren Pläne des Eigentümers vor.

Bautzener wehren sich gegen Vorurteile

Vom ersten Tag an ging der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens sehr offen mit den Medien um. Viele Anfragen waren aufgrund der allgemeinen Lage stark vorurteilsbelastet und pauschalisierten Bautzen und Sachsen als hasserfüllt und ausländerfeindlich.

In etwa 80 Interviews binnen vier Tagen widersprach Ahrens diesen Verurteilungen vehement und vermittelte so ein differenziertes Bild der Spreestadt. Etwa 700 Meldungen erschienen im Zusammenhang mit dem Brand allein im deutschsprachigen Raum. Damit wurden mehr als 120 Millionen Leser, Zuhörer und Zuschauer erreicht. Etwa 72 Prozent der Meldungen, teilte jetzt die Stadtverwaltiung mit, blieben weitgehend sachlich und beinhalteten zudem auch die Reaktionen der Bautzenerinnen und Bautzener, die sich mit Veranstaltungen und Menschenketten gegen die pauschale Verurteilung und für mehr Demokratie positionierten.

In der Rubrik auf der städtischen Homepage www.bautzen.de "Ich liebe Bautzen, weil…" äußerten sich per dato etwa 130 Nutzer, um ihr positives Bild von Bautzen darzustellen. Wie mehrere touristische und Wirtschaftsbetriebe bestätigten, hatten die Ereignisse vor einem Jahr keine nennenswerten Auswirkungen auf Buchungszahlen oder Geschäftsbeziehungen.

Doch obwohl die politische Motivation der Tat offensichtlich nach wie vor nicht nachweisbar ist, bleibt die mediale Darstellung teilweise einseitig. Auf jeden Fall ist das Image der Stadt Bautzen ist langfristig beschädigt, seine Korrektur bedarf des intensiven Einsatzes aller demokratisch orientierten Kräfte in der Stadt, wie beispielsweise bei den Demokratiewochen im September 2016. Straßenfeste, Ausstellungen, Gesprächsforen, Kinofilme und Themenworkshops - mit rund 50 Einzelevents wurde nach einer großen Auftaktparty in Bautzen mit einer ganzen Bandbreite an Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen diskutiert. Bis zum 3. Oktober luden zahlreiche Privatpersonen, Parteien, Vereine, Initiativen, Gewerkschaften, Kirchen, die Stadtverwaltung und weitere Institutionen dazu ein, miteinander über das gemeinsame Zusammenleben und auch unterschiedliche Demokratieverständnisse ins Gespräch zu kommen. Für die Demokratiewochen soll es 2017 eine Fortsetzung geben und auch viele andere Veranstaltungen und Foren werden dazu beitragen, das Bild der Stadt Bautzen so darzustellen, wie es sich vor Ort erlebbar und täglich bietet: lebenswert, sehenswert und bunt.

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  • Quelle: red | Fotos: © Bautzner Anzeiger
  • Erstellt am 15.02.2017 - 08:31Uhr | Zuletzt geändert am 15.02.2017 - 09:50Uhr
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